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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

Juli 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org
Shrek
USA 2001
Dt. Titel:
Shrek - Der tollkühne Held

Shrek - der tollkühne Held

Regie:
Andrew Adamson, Victoria Jenson

Rollen (Original- / deutsche Stimme):
Shrek (Mike Myers / Sascha Hehn)
Donkey (Eddie Murphy /?)
Princess Fiona (Cameron Diaz / Esther Schweins)
Lord Farquaard (John Lithgow /?)
Monsieur Hood (Vincent Cassel /?)

Nicht "Pearl Harbor", sondern
Shrek - der tollkühne Held
ist der Kassenschlager der Kinosaison.
Und das ist auch gut so!



Die Computer-Charaktere sind überzeugender als in "The Mummy returns", die Fight-Scenes besser als in "Tomb Raider" und eigentlich alles (aber ganz sicher die Interaktion zwischen verschiedengeschlechtlichen Protagonisten, um jetzt mal nichts zu verraten ;-) ist besser als "Pearl Harbor", und das behaupte ich einfach mal, ohne irgendeinen von diesen "Event"-Filmen, die man gesehen haben sollte, wenn man filmmäßig mitreden will, besucht zu haben. Genug davon, reden wir von Filmen, die es verdient haben, daß man über sie redet, die geradezu danach schreien, ein zweites mal gesehen zu werden.

"Shrek" funktioniert auf vielen Ebenen. Ganz persönlich gesehen muß ich zugeben, daß "Shrek" die Animationsfigur ist, mit der ich mich seit langem am besten identifizieren konnte. Das soll jetzt nicht heißen, daß ich "illuminierte Handschriften des englischen Mittelalters" (Proseminar 17304 bei Prof. Bitterling im Wintersemester) nicht zu schätzen weiß, ich seltsame Praktiken habe, Fische zu fangen, eine eigentümliche Einstellung zu romantischen Kerzenlicht, oder ich widerliche Dinge zu mir nehme und auch bevorzugt in der Gegenwart von Prinzessinnen wieder ausscheide. Soweit würde ich nicht gehen, aber nicht nur Shrek verdeutlicht eines der Hauptthemen des Films, daß man nicht vom ersten Eindruck auf die Qualitäten und Schwächen einer Person schließen kann.

Die Art und Weise, wie Shrek eingeführt wird, ist beabsichtigt schockierend, und er hat (genau wie ich manchmal) eine Tendenz, die Personen in seinem Umfeld von sich zu stoßen, weil er zu sehr davon überzeugt ist, daß sie ihm früher oder später doch nur seine charakterlichen Mängel zum Vorwurf machen, oder daß er ein häßlicher, stinkender Ogre ist. Dadurch übersieht er über weite Teile des Films, wieviel seine Freunde für ihn zu opfern bereit sind. Die sind zwar Themen, wie man sie in jedem auf Kinder zugeschnittenen Disney-Film dauernd um die Ohren geschlagen bekommt. (Kann mich noch gut daran erinnern, wie ich vor kurzem zwei Disney-Trailer kurz hintereinander sah, und es schon penetrant war, wie darauf hingewiesen wurde, daß die Themen des Films "Treue", "Freundschaft", "Hoffnung" und dergleichen waren, unabhängig davon, daß es in einem Fall um die Abenteuer von längst ausgestorbenen Tierarten ging, was den Hoffnungsaspekt etwas ins Schwanken brachte …), aber die Art und Weise, wie Shrek sich gebärdet, ist weit entfernt von Disney-Charakteren. Selbst das Lama war weitaus schneller dazu bereit, zumindest nach außen hin freundlich zu wirken, Shrek hingegen macht dem dauernd quasselnden, aber trotzdem immens liebenswürdigen Esel, der ihn begleitet, dauernd die Hölle heiß, und interpretiert jeden Satz von Prinzessin Fiona, mit der er soviel gemeinsam hat, zu seinen Ungunsten, weil er sich einfach nicht vorstellen kann, daß irgendjemand scharf darauf sein könnte, einen dicken grünen Ogre mit abstehenden Ohren zum Freunde zu haben. Doch genug der Parallelen zu meinem Privatleben.

Wie ich bereits andeutete, geht es im Film "Shrek" viel um das äußere Erscheinungsbild, und wie es oft täuschen kann. Dafür gibt es mehrere Beispiele im Film, ich erwähne nur jenes, welches keinem Zuschauer den Spaß nimmt. Lord Farquaard ist ein machtgeiler Tyrann von kleiner Statur, der ein wenig Michael Eisner, dem Disney-Chef ähnelt, was man aber nachlesen muß, wenn man nicht dauernd dessen Antlitz studiert. Der kleinwüchsige Möchtegern-König beherrscht ein Reich, das nicht wenig an einen Vergnügungspark erinnert. Sein Schloß erinnert ein wenig an das von Cinderella, das man mal als mehrteiligen Bastelbogen Ende der Siebziger in der Micky-Maus fand (seufz!), nur ist es ein wenig gigantischer, was schon früh zu einigen Witzen über "Kompensation" Anlaß bietet. Wie ich es nun verschiedentlich angedeutet habe, und es auch jeder auf dem Filmplakat sehen konnte, ist Farquaard nicht übermäßig groß, doch die ersten Bilder, die man von dem disneyanischen Diktator sieht, zeigen seine Füße aus der Wurmperspektive, wie sie mit hallendem Donnerschall einen Schloßgang entlang stampfen, bevor die Relationen klargestellt werden. Ähnliches geschieht dann auch, wenn Farquaard seiner Zukünftigen vorgestellt wird und man nicht auf Anhieb erkennen kann, was für ein "kleiner Zwerg" er ist. Und natürlich gibt es auch gar nichts an kleinwüchsigen Menschen auszusetzen, diese können durchaus liebenswürdig sein, ebenso wie riesenhaftige Gestalten manchmal immens sensibel sind, nur mit dem Unterschied, daß Farquaard halt der Bösewicht ist, und in solch einem Fall geht es nicht darum, etwaige positive Charaktereigenschaften herauszustellen. Von wegen. Wie der schon aussieht, und wie er sein Königreich führt, der Typ hat kein anderes Schicksal verdient, daß machen Katzenberg und Kollegen gleich klar.

Aber es geht bei "Shrek" nicht nur um Kritik am Disney-Konzern, nicht nur um menschliche Werte blablabla, sondern vor allem darum, viel zu lachen. Eddie Murphy als pelzige Labertasche, die aber auch ach so süß mit den Augen klimpern kann, und Mike Myers wieder mal als kahlköpfiger Widerling (der dann nachher doch ganz nett ist), diese beiden alleine würden vielleicht einen netten Buddy-Film bestreiten können, aber hier geht es vor allem um eine Parodie auf das gesamte Märchen-Genre mit zahlreichen Cameo-Appearances von Schweinen, Wölfen, Prinzessinnen, hölzernen Burschen, Lebkuchenmännchen, leuchtenden kleinen Fairies und Zwergen in spezieller Anzahl, wie man es so liebenswert zuletzt in polnischen Fernsehserien und Linda Medleys "Castle Waiting" sah. Wenn hier eine Geschichte mit einem Bilderbuch beginnt, eine Prinzessin mit den Vögeln um die Wette trällert, ein griesgrämiger Drache eine Jungfrau beschützt oder eine Bärenfamilie putzige Schleifen im Haar trägt, so kann man sich nur bedingt auf sein Wissen aus der Volksmythologie und dem, was einige Animationsfilme daraus machten, verlassen. Hier degeneriert ein ehrenhaftes Ritterturnier zum Schlammcatchen, werden Folterszenen zur Farce, und Robin Hood und seine "merry men" sind tuntige Franzosen (wobei natürlich auch dieser Kommentar nichts über deren verborgene Qualitäten aussagen soll ;-)).

Und obwohl "Shrek" alle Märchen-Klischees zu durchkreuzen weiß, bleibt der Film dennoch ein wunderschönes Märchen, bei dem kein Lakaie auf der Leinwand ein Pappschild hochzuhalten braucht, damit die Zuschauer im richtigen Moment verzückt "Awwww" rufen.