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18. November 2008
Christopher Pramstaller
für satt.org

Nils Knoblich: The Burning Haus

Superhero gone wrong

Wären wir nicht manchmal alle gerne Superheld? Mit wehendem Umhang durch die Nacht ziehen, die Welt mit unglaublichen Fähigkeiten vor dem drohenden Untergang retten und Held der Massen sein? Moralisch stünde man immer auf der richtigen Seite. Als Rächer der Benachteiligten kann dem Held schließlich kaum jemand böse sein. Das dachte sich wohl auch Nils Knoblich vom Verlagskollektiv rotopolpress aus Kassel, als er sich in seinem Mini-Comic „The Burning Haus“ einem der klassischsten Sujets des Comics angenommen hat – dem Superhero.

Doch dass es mit dem Superhelden-Dasein nicht immer ganz so einfach ist, wie es im ersten Moment anmuten mag, wissen wir nicht erst seit Peter Parker alias Spider-Man, der neben der Rettung des Planeten ständig mit Gewissensbissen und Alltagsproblemen zu kämpfen hat („Aus großer Macht folgt große Verantwortung“). Oder etwa Bruce Wayne alias Batman, der ein perfides Doppelleben führen muss, um die Identität seines Alter Ego aus der Bat-Höhle geheim zu halten. Alan Moore hat schließlich mit seiner bahnbrechenden „Watchmen“-Serie am eindringlichsten aufgezeigt, dass man als Superheld auch schnell zum Anti-Helden werden kann und es mit der guten Moral, wenn man erst einmal Superkräfte besitzt, auch nicht unbedingt so einfach ist.

In „The Burning Haus“ von Nils Knoblich heißt der Superheld nun zwar nicht Spider- oder Batman, sondern ist der Nachwuchs-Hero Eject-Man, doch sein Problem ist dasselbe: was tun, wenn man als Superheld doch nicht so perfekt sein kann, wie man es sich vorgestellt hat?

Nils Knoblich: The Burning Haus








Sechs Panels pro Seite und ein plakativer Stil.
Nils Knoblich hat mit „The Burning Haus“
einen Mini-Comic im klassischen Sinn geschaffen.

Da brennt ein Haus im schneebedeckten Nirgendwo. Ein Mann rennt heraus, um sich vor den immer dichter werdenden Rauchschwaden ins Freie zu retten. Kaum dort angekommen, steht das Haus lichterloh in Flammen. Als seine Frau ebenso aus dem Haus flüchtet, fallen sich die beiden allerdings nicht in die Arme, sondern sie wird von ihm verprügelt. Eject-Man, unser Superheld, sieht das Verbrechen, ist in Sekundenschnelle in sein Kostüm geschlüpft, liest noch die letzten Tipps in seiner „How to be a super hero“-Fibel und ist zur Stelle. Schnell den Prügler ausgeknockt, die Frau in den Krankenwagen verfrachtet und den Tag gerettet – da kann man schon mal stolz auf sich sein und zufrieden ins Bett gehen. Doch das Unterbewusstsein ist nicht Eject-Mans bester Freund. In der Nacht träumt er davon, dass er als Superheld selbst die Frau verprügelt. Dass er von dieser Vorstellung des Morgens mit einer Erektion aufwacht ist dann endgültig zu viel für ihn. Eject-Man verbrennt sein Kostüm und stellt seine Passion radikal in Frage.

Nils Knoblich studiert Trickfilm, Comic und Illustration an der Kunsthochschule Kassel. Er ist ein Künstler aus dem Umfeld des noch jungen Verlagkollektivs rotopolpress, deren Arbeiten immer wieder die Grenzen zwischen Comic, Illustration und Design verschwimmen lassen. „The Burning Haus“ hingegen ist in jeglicher Hinsicht ein klassischer Comic. Fast durchgängig mit sechs Panels pro Seite lässt Knoblich in plakativem Erzähl- und Zeichenstil seine Geschichte entstehen. Mit dem Superhelden-Sujet verarbeitet er dabei eines der klassischsten Themen des Comics überhaupt, und thematisiert die Problematik, die sich aus übermenschlicher Moralvorstellung und persönlichem Anspruch an diese Rolle ergibt. Ein Thema nicht nur für Superhelden, sondern ein alltägliches menschliches Dilemma.

Leider ist die Geschichte nur 14 Seiten lang. Gerade wenn die Erzählung richtig in Fahrt kommt, ist sie auch schon wieder zu Ende. „The Burning Haus“ wirkt wie ein Mini-Comic, dem der Autor ein gebührenderes Ende verweigern wollte.

Der Filmförderung Hessen zumindest hat der Comic so gut gefallen, dass daraus nun ein dreiminütiger Kurzfilm entstehen soll. Nils Knoblich plant einen grafisch-reduzierten 2D-Animationsfilm, der beweist, dass es auch im Unbewussten von Superhelden mitunter äußerst amoralisch zugeht.



Nils Knoblich:
The Burning Haus

rotopolpress 2008
14 S., s/w, geklammert, € 5
» rotopolpress

Nils Knoblich: The Burning Haus