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März 2007
Stefan Pannor
für satt.org

Brian K. Vaughan, Tony Harris:
Ex Machina - Die Ersten Hundert Tage

Irgendwie ist Brian Vaughan Meister darin, aus idiotisch klingenden Prämissen überraschend ernstnehmbare Stoffe zu stricken. (Jedenfalls wenn er nicht grade Superhelden-Comics wie die „Ultimativen X-Men“ schreibt.) „Ein Virus rottet alle Männer aus – bis auf einen“ etwa ist die Grundlage zu seinem mehrfach preisgekrönten „Y – The Last Man“.


Brian K. Vaughan,
Tony Harris:
Ex Machina - Die
Ersten Hundert Tage

Panini Comics 2007

Brian K. Vaughan, Tony Harris: Ex Machina - Die Ersten Hundert Tage

160 S., Sc, farbig, € 14,96
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„Ex-Superheld wird Bürgermeister von New York“ ist die Prämisse von „Ex Machina“. Und auch das klingt erstmal gar nicht aufregend, sondern im Gegenteil banal. Comics über Superhelden gibt es genug, und auch über Politiker gibt es einige – und irgendwie scheint eine Verbindung zwischen diesen beiden Sujets recht verkrampft. Wer möchte schon wirklich seinen Bürgermeister in Spandex sehen?

Was Vaughan dann aber daraus macht, ist ein sehr faszinierendes Hinabsteigen in die Niederungen der Lokalpolitik der Gegenwart. Und da wird es durchaus spannend. Seine Hauptfigur Mitchell Hundred regiert ein Post-9-11-New-York mit den bekannten Problemen: konkurrierende Bürgergruppen, Verkehrsprobleme, Kriminalität und natürlich die Angst vor neuen Terroranschlägen. Einige, wenn auch nicht alle, dieser Probleme könnte der mit Para-Gaben gesegnete Hundred im Kostüm seines Superhelden-Alter-Ego The Great Machine lösen. Aber wäre das politisch korrekt? Und was würden die Mitglieder der anderen Parteien und die Wähler denken?

Vaughan entwirft hier eine spannende Politiker-Soap, die trotz ihres Superhelden-Kontext nie den Bezug zur Realität verliert. Gleich zu Beginn muss sich Hundred nicht nur mit einem Bombenleger beschäftigen (Terrorist? Oder doch nur Wahnsinniger?), sondern auch mit einer den gesamten Stadtverkehr lahmlegenden Kaltwetterfront und mit einem Kunstwerk in einem öffentlichen Museum, das Abraham Lincoln einen „Nigger“ nennt. (Diese Episode entstand, bevor die Debatte um das „N-Wort“ in den USA hochkochte wie derzeit.)

Dabei hat Vaughan zugegeben einen Hang zur Geschwätzigkeit und zum Dozieren. Dennoch gelingen ihm grade zu Beginn der Serie ein paar überaus bodenständige Geschichten mit glaubwürdigen Auflösungen, getragen auch von der dezidiert dargestellten Cast an politischen und privaten Helfern, die Hundred zur Seite stehen.

Nur zu loben sind allerdings die Zeichnungen von Tony Harris, der spätestens seit seinen „Starman“-Heften (leider nicht auf deutsch) zu den Besten der nordamerikanischen Mainstreamzeichner gezählt werden kann. Seine Kunst zeigt sich nicht nur in der überaus realistischen Anatomie der Figuren, sondern vor allem in kleinen Gesten und der Mimik, die weitaus mehr über das Innenleben der Charaktere verraten, als sonst im Mainstream üblich.

„Ex Machina“ ist ein durchaus spannender Polit-Thriller mit akzeptabel überschaubarem Anteil allzu trivialer Superhelden-Unterhaltung.