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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen





März 2007
Sigrid Gaisreiter
für satt.org

Welt im Spiegel - Spiegelwelten


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Chaval (2006) Take it easy. Ausgewählt von Daniel Keel. geb., 104 S., 100 s/w Abb., Zürich. Verlag Diogenes. € 9,90
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Loriot (2006) Männer & Frauen passen einfach nicht zusammen. Ausgewählt von Daniel Keel und Daniel Kampa. geb., 80 S., mit s/w Abb., Zürich. Verlag Diogenes. € 9,90
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Sempé (2006) Für Gartenfreunde. Ausgewählt von Daniel Keel und Daniel Kampa. geb., 80 S., mit s/w und farbigen Abb., Zürich. Verlag Diogenes. € 9,90
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Valentin, Karl (2006) Mein komisches Wörterbuch. Herausgegeben von Dieter Wöhrle. kart., 134 S., München. Verlag Piper. € 7,00
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Waechter, F.K. (2006) Alles klar? Ausgewählt von Daniel Keel und Daniel Kampa. geb., 96 S., mit s/w und farbigen Abb., Zürich. Verlag Diogenes. € 9,90
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Oft hat man ja nicht viel zu lachen, es sei denn ein Cartoonist nimmt sich der Welt in Wort und Bild an. Große Meister dieser Kunst wie Loriot oder Sempé fanden beim Verlag Diogenes das richtige Umfeld. Mit den Jahren entstand dort so etwas wie eine kleine Bibliothek des Cartoons, der Karikatur, der Komik. Viele, so auch Chaval, Roland Topor, Tomi Ungerer und Friedrich Karl Waechter gehören inzwischen zu einem noch zu fixierenden Cartoon-Kanon. Den schickt sich, ganz fix, Diogenes zu begründen an. Der Verlag startete eine Reihe "Cartoon Classics" mit vier der großen Künstler. Fragt Waechter ob "Alles klar?" sei, so rät Chaval "Take it easy". Das Leichtnehmen ist bei Sempé in "Für Gartenfreunde" Programm und von Loriot wissen wir schon lange, "Männer & Frauen passen einfach nicht zusammen". Sonst passt alles und es gesellt sich hinzu, eine von Dieter Wöhrle herausgegebene Sammlung von Sprüchen für alle Lebenslagen von Karl Valentin, das unter "Mein komisches Wörterbuch" firmiert, ein Cartoon in Worten.

Karl Valentins skurril-hintergründige Sprüche sind legendär, aber im Werk weit gestreut. Neue Bekanntschaft mit dem Wortsteller ist möglich. Wöhrle nahm 263 Stellen unter die Lupe und ordnete sie alphabetisch an. Aus dem Zusammenhang gerissen entfalten sie, auch auf sprachlicher Ebene, eine neue Intensität. Valentin hat etwas vom großen Till, der nahm, gleichwohl im übertragenen Sinn gemeint, vieles wörtlich, Start für manche Alltagskomik. Valentin würde sich aber sehr wundern, hätte sein Verleger Piper seine Manuskripte verlegt, dann hätte er sie nicht verlegen können. Sein Ratschlag für eine neue Verkehrsordnung mutet, angesichts der autofreien Sonntage in den 1970er Jahren, geradezu visionär an, die Straßen streng nach Wochentagen für bestimmte Verkehrsteilnehmer zu reservieren. Valentin, das macht den großen Spass dieser Ausgabe aus, legt sein Verfahren unter Aussprache offen: "Ja red halt - oder leg Buchstaben daher, na setz i mir's selber zsamm!" So fährt er von A nach Z, "Die Zukunft war früher auch besser!". Die Wortfalle, im Zoo kostet "Freier Eintritt 50 Pfg.", schnappt zu und auf. Blödheiten aller Art fand er auch in vielen Annoncen, benachbart Gustave Flauberts Handreichungen im "Wörterbuch der Gemeinplätze".

Die Quellen für die Auswahlbände des Diogenes-Quartetts sprudelten für Daniel Keel und Daniel Kampa reichlich. Das ewige Thema Geschlechterverhältnisse wird ja häufig ein wenig verbissen behandelt und Loriot kennt sich darin gut aus. Gewohnte Sichtweisen wirbelt er immer wieder durcheinander. Die Frau ist nicht immer das schwache Geschlecht. Als Entrée zeichnete Loriot eine Walküre, die ihren Mann, angezogen mit Babyschnuller, trägt. Dass ein Staubsauger auch ein Instrument sein kann, den eigenen Mann beim Kragen zu packen, zeigt das darauffolgende Bild. In die Gattenwahl hält sie einen kleinen Mann an der kurzen Leine. Ganz nett auch die Szene im Zoo, das Nashorn, ein "plumpes Tier" wie Loriot zu Denken gibt, spuckt die Ehefrau, da unbekömmlich, wieder aus, zu viel für dessen "feine Zunge". Neben Bildern mit und ohne Text, setzten Keel/Kampa auch auf kurze Stücke, Texte ohne Bilder wie in Eheberatung, der sich Frau und Herr Blöhmann unterziehen um sich mit Frau Dr.K. die "Grundformen des Kusses ganz neu" zu "erarbeiten."

Gearbeitet wird auch bei Sempé, im Garten und wenn es nur ein einzelnes Blatt ist, dass aus einem klinisch reinen Swimmingpool gefischt wird. Viele der Zeichnungen, wortlos, bilderreich, ein Häusermeer und ein kleines Fleckchen Grün, das man in einer anderen Zeichnung, die Straßennamen ganz poetisch nach Grün- und Buntzeug, Linde, Flieder, Veilchen, genannt, vergeblich sucht. Wo Nostalgie sein soll, ist Sempé nicht weit und er kommt geflogen, setzt sich nieder aufs weiße Papier, öffnet sein Feinstrichköfferchen, es befinden sich auch zarte Farben darin. Sie fließen über das Papier und ins Grün und da wird gewerkelt, geschlummert, gelegentlich auch nachgesonnen. Der Garten erscheint mal üppig wildwuchernd, Anlaß ihn zurechtzustutzen. Liegt das nette Grundstück aber inmitten der Natur, so ist das heiter vergebliche Müh und auch ein "Antiameisenplan" hilft da natürlich nicht weiter.

Ins Archiv der unerledigten Angelegenheiten schickt SÅ‚awomir Mrozek in "Das Leben für Anfänger" einen Kanzleidiener, der sich damit, es gilt ein Papiergebirge zu erklimmen und zu sortieren, in Gefahr begibt und darin, Anfängerpech, umkommt. Mrozek, der mit kurzen satirischen Erzählungen debütierte, hätte seine Geschichten auch selbst bestricheln können, er ist auch ein großer Cartoonist, wird aber von Chavals Zeichnungen begleitet. Vieles in "Take it easy" ist auch unerledigt geblieben. Da wachsen Spinnweben zwischen Autos, die im Stau stehen, ein Torero liegt mit gebrochenen Gliedmaßen im Krankenhaus, besucht vom Stier, währenddessen ein Mann versucht auf der Fensterscheibe eine Fliege mit dem Hammer zu zerdrücken. Darin auch die herrliche Zeichnung eines Anfängers der Heimwerkerei, der oben auf der Leiter stehend, diese von unten nach oben streicht und dabei keine Erkenntnisfortschritte macht. Auf dem gegenüberliegenden Bild hält er sich an besagter Leiter fest, streicht den Boden und plazierte den Farbtopf am oberen Ende der Leiter. Chaval ist einer der ganz wenigen Federfuchser, die ganz ohne erklärende Texte Botschaften aus dem riesigen Archiv vieler unerledigter Angelegenheiten von Lebensdilettanten senden.

Auch der vierte im Bunde, Waechter gewinnt Land, in dem er Stege über das bodenlos Abgründige des Lebens baut. Den hat das Ehepaar, das gelangweilt in Sesseln im Wohnzimmer auch nötig, ein "Riß ging durchs Zimmer und rettete den Abend." Alles klar nirgendwo, niemals bei niemand, der Satiredienst ist hart und bei Waechter stoßen scharfes Wort auf sanfte Linie, immer ein wenig verrückt. Ein geisteskranker Löwe wird in einem Käfig von einer Frau umarmt, der sie -nach Aussage des Zoodirektors- für eine Löwin hält. Er rät, die gute Dame solle jeden Unsinn mitmachen, dann passiere ihr nichts". Wundern, so im letzten Bildgedicht, Text und Bild sind bei Waechter unlösbar verbunden, wird der Betrachter sich nach der Lektüre nicht, dass er so fröhlich, so glücklich ist. Frei nach Loriot, ein Waechter ist was für das Leben.

Der Mensch, so sieht es jedenfalls Sigismund von Radecki im "ABC des Lachens" ist das "Lachzentrum der Welt" und es gibt "Konkurrenten für Zeitraffer-Kurzgeschichten". Wer hier wem worin voraus ist, das war Valentin sowie den hier versammelten Größen immer egal, denn alle, die antraten sind in ihrer Temperamentsklasse Rekordhalter, Konkurrenz belebte ihr Geschäft, eine Parallelwelt des Heiter-Komischen zu erschaffen.